Auch mehr Fachkräfte können Mangel nicht beheben
Das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) hat jetzt das Gutachten ,Personalbestand im Krankenhaus bis 2035‘ veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass die Zahl der Ärzte und Krankenpflegekräfte bis zum Jahr 2035 wahrscheinlich wachsen wird.
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Die Ergebnisse des von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) beauftragten Gutachtens zeigen allerdings, dass das Wachstum an Fachkräften wohl in einem Maße erfolgen wird, welches den wachsenden Mangel nicht ausgleichen könnte. Voraussetzung für den angenommenen Anstieg der Zahl der Absoventen sei, dass sich auch in Zukunft ein zumindest gleichbleibender Anteil junger Erwachsener für ein Medizinstudium, ein Studium der Pflegewissenschaften oder eine Ausbildung zur Pflegefachkraft entscheide, so die Autoren Ann Katrin Parloh und Robin Heber. Gelinge dies, bestehe die Aussicht, dass die Zahl der im Krankenhaus beschäftigten Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegefachkräfte bis zum Jahr 2035 leicht anwachsen könnte, wenngleich das Wachstum aller Voraussicht nach deutlich geringer als in der Vergangenheit ausfallen werde. Hauptgrund dafür sei der sich bereits vollziehende demografische Wandel, in dessen Folge zeitweise wenig Schüler auf den Arbeitsmarkt strömen und gleichzeitig immer mehr Angestellte in den Ruhestand eintreten würden. In Kombination mit dem zuletzt anhaltenden Trend zur Teilzeitbeschäftigung sei daher keine wesentliche Zunahme der real verfügbaren Personalkapazitäten zu erwarten.
Konkret prognostiziert die Studie einen Anstieg der Zahl der Ärzte um rund 15.400 (acht Prozent), der examinierten Pflegekräfte um 32.100 (sieben Prozent) und der examinierten Kinderkrankenpflegekräfte um 20 Prozent oder 9.100. Dabei wird zwischen 2025 und 2030 die Zahl der altersbedingten Ausstiege die der Berufseinstiege trotz der erwarteten Zuwächse und einschließlich der Zuwanderung übertreffen. Für die Zeit nach 2030 sieht die Studie leichte Verbesserungen und erwartet steigende Absolventenzahlen. Den hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigung im Gesundheitswesen sehen die Autoren als ein Problem. Setzte sich der Trend zu reduzierten Arbeitszeiten fort, könnte schon dieser Effekt die kleinen Steigerungen bei der Fachkräftezahl wieder zunichtemachen, befürchten sie. Im Zuge des schon seit vielen Jahren zu beobachtenden Trends zur Teilzeit sei die Quote von Vollkräften zu Köpfen (VK-Quote) gesunken. Setze sich dieser Trend fort, werde trotz der Prognose eines signifikanten Wachstums an Köpfen die Zahl der Vollkräfte zukünftig nur geringfügig wachsen oder sogar sinken. Nehme die VK-Quote jährlich um 0,3 Prozentpunkte ab – ein laut der Autoren neutrales Szenario – stiege die Zahl der Vollkräfte zwischen 2020 und 2035 noch um etwa 3.400 im Ärztlichen Dienst, etwa 3.200 in der examinierten Krankenpflege und etwa 3.900 in der examinierten Kinderkrankenpflege. Bei Abnahme der VK-Quote um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr würde sich die Zahl der Vollkräfte zwischen 2020 und 2035 im Ärztlichen Dienst (-3.000) und in der examinierten Krankenpflege (-11.000) dagegen verringern. Lediglich die Kinderkrankenpflege würde auch in diesem Szenario leicht hinzugewinnen. Würde der Trend hingegen gestoppt und die VK-Quoten aus dem Jahr 2020 blieben zukünftig konstant (optimistisches Szenario), wären die Zuwächse an Vollkräften durchaus beträchtlich.
Denn dann ständen den Krankenhäusern im Jahr 2035 etwa 13.000 ärztliche Vollkräfte, rund 24.000 Vollkräfte in der examinierten Krankenpflege und rund 6.000 Vollkräfte in der examinierten Kinderkrankenpflege mehr zur Verfügung als im Jahr 2020. Ähnlich positive Auswirkungen ergäben sich, wenn die Auszubildendenzahlen moderat gesteigert würden und/oder ältere Beschäftigte (55 Jahre und älter) nicht schon mit im Schnitt 63 Jahren (Ärztlicher Dienst) bzw. 62 Jahren (Pflege) in den Ruhestand gingen, sondern im Mittel ein bis zwei Jahre später ausstiegen würden.
„Selbst in optimistischen Szenarien werden wir den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen nicht mit immer mehr Personal ausgleichen können, weil es dieses Personal schlicht nicht geben wird. Einwanderung ist ebenfalls keine alleinige Lösung, da auch hier die Zahl nie ausreichen wird und gleichzeitig die typischen Herkunftsländer durch demografischen Wandel einen höheren Eigenbedarf haben werden“, kommentierte der Vorstandsvorsitzende der DKG, Dr. Gerald Gaß, die Ergebnisse.
Deutschland habe pro Einwohner so viele Pflegekräfte wie wenige andere Länder auf der Welt, pro Krankenhausfall aber nur relativ wenige. Wer den Fachkräftemangel lösen wolle, müsse neben mehr Digitalisierung und Flexibilisierung beim Personaleinsatz auch mehr ambulante Behandlungen an Krankenhäusern zulassen, so Gaß. „Dank der harten und heute völlig unverständlichen Grenzen zwischen ambulant und stationär müssen noch viel zu viele Patientinnen und Patienten stationär mit entsprechend hohem Personalaufwand behandelt werden, die ambulant am Krankenhaus genauso gut versorgt wären“, betonte der DKG-Vorstandsvorsitzende.
Auch eine „konsequente Entbürokratisierung“ sei unumgänglich, um den Fachkräftemangel zu lösen, betonte Gaß. „Mehrere Stunden sind Ärztinnen und Ärzte wie Pflegekräfte täglich mit Schreibarbeiten beschäftigt, darunter doppelte Dokumentation oder Dokumentation, die weder medizinisch noch pflegerisch einen Nutzen hat. Könnten wir diese völlig aus den Fugen geratene Bürokratielast nur halbieren, hätten wir die Arbeitskraft mehrerer zehntausend Fachkräfte allein in der Pflege mehr zur Verfügung und den Fachkräftemangel mit einem Schlag gelöst.“ Entbürokratisierung sei ein kostenloses Konjunkturprogramm für die Wirtschaft, habe es einst geheißen – für das Krankenhaus und den Fachkräftemangel gelte das genauso, so Gaß. Mehr zu den potentiellen Auswirkungen eines konsequenten Bürokratieabbaus auch in einem weitere Beitrag in diesem Newsletter.
Dr. Karl Blum, Vorstand des DKI, sagte zu den Ergebnissen: „Unsere Studie zeigt, dass sich das Fachkräftepotenzial bis 2035 insgesamt nicht schmälern muss. Wegen des steigenden Fachkräftebedarfs infolge der Demografie gibt es aber keinen Grund zur Entwarnung. Deswegen müssen Politik und Krankenhäuser die Attraktivität der ärztlichen und pflegerischen Berufe weiter stärken, um im Wettbewerb um Auszubildende und Berufseinsteiger zu bestehen und vorzeitige Berufsausstiege zu vermeiden.“