Augmented Reality im neurochirurgischen Operationssaal

Dank der Datenbrille kann Neurochirurg Prof. Erdem Güresir (li.) in den Modellkopf hineinschauen. Sein Team entwickelt zusammen mit Partnern ein virtuelles Navigationssystem für noch sicherere Eingriffe im Kopf. @Stefan Straube/UKL

Ein Eingriff am Gehirn findet heute mit minimalinvasiven Verfahren, aber damit auch mit eingeschränkter Sicht für Operateur:innen statt, die sich den zu operierenden Bereich anhand vorheriger Aufnahmen und während der OP mithilfe dreidimensionaler Bildinformationen vorstellen müssen. Das wollen die Neurochirurg:innen am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) KL ändern. Sie haben dafür eine Software zur Unterstützung mittels Augmented Reality (AR) entwickelt. Das Projekt geht dank einer hohen Förderung in die nächste Phase.

Neurochirurg Prof. Dr. Erdem Güresir vom UKL und sein Team arbeiten zusammen mit dem Fraunhofer-Kunststoffzentrum Oberlausitz an einem AR-Navigationssystem für neurochirurgische Eingriffe. Beim Testlauf tragen Güresir und der Ingenieur neben ihm Datenbrillen, die sie gerade aktiviert und auf den vor ihnen auf dem OP-Tisch liegenden Modellkopf ausgerichtet haben. Der ist zwar äußerlich komplett unversehrt, dennoch blicken beide in ihn hinein: Die Datenbrille zeigt auf Wunsch einzelne Strukturen und ihre Position im Schädel an. Führt Chirurg Güresir nun ein Instrument über eine kleine Bohrung in das simulierte Gehirn ein, zeigt die Brille auch dessen genaue Position sowie die umliegenden, teils funktionstragenden, Strukturen. Mit der Datenbrille wäre alles klar erkennbar. Der Weg des Katheters durch das Gehirn würde als Trajektorie, also als Bewegungspfad, virtuell in das Sichtfeld der Neurochirurgen eingeblendet und sich über die reale Patientenanatomie legen. Gerade für Notfälle, so stellt es sich Güresir vor, wäre das ein enormer Gewinn. "Da haben wir keine Zeit für aufwändige Bildgebung und OP-Planung, da muss ein verletztes Gehirn mit einer Drainage schnell entlastet werden, ohne dass wir wichtige Bereiche in Mitleidenschaft ziehen." Die Datenbrille könnte dabei direkt im Schockraum der Notaufnahmen zum Einsatz kommen, wo selbst mit wenig neurochirurgischer Erfahrung ein sicherer Eingriff möglich wäre. Auch für Kliniken mit einer weniger modernen Ausstattung als in Europa wäre die Datenbrille eine gute Option für präzise Neurochirurgie. "So eine Brille ist derzeit etwa 100-mal preiswerter als heutzutage übliche computergestützte Navigationssysteme für die Neurochirurgie", ergänzt PD Dr. Ronny Grunert. Gemeinsam mit Prof. Dr. Dirk Winkler als medizinischem Entwicklungspartner arbeitet Ingenieur Grunert bereits seit vier Jahren an der Leipziger Universitätsmedizin an der geeigneten Software. Nun ist ein Prototyp verfügbar, der mit allen gängigen Datenbrillen interagieren kann. "Wir haben die Machbarkeit bewiesen, nun müssen wir unsere Idee so weiterentwickeln, dass daraus ein Medizinprodukt entsteht", so die Neurochirurgen Güresir und Winkler. Dafür stehen 1,4 Millionen Euro Fördergelder der Sächsischen Aufbaubank zur Verfügung. "Wir sind sehr optimistisch, dass wir hier etwas Nützliches entwickeln, dass breit zugänglich sein wird und viele Leben retten kann", sagt Güresir.

Kurzes Youtube-Video zu "Augmented Reality" im neurochirurgischen Operationssaal

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