Gesundheitsversorgung für Verteidigungsfall stärken

Angesichts der Pläne, wegen der momentanen Sicherheits- und Weltlage die Verteidigungsausgaben Deutschlands deutlich zu erhöhen, werden Forderungen nach einer gezielten Stärkung der Gesundheitsversorgung für den Verteidigungsfall laut.

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Angesichts der Pläne, wegen der momentanen Sicherheits- und Weltlage die Verteidigungsausgaben Deutschlands deutlich zu erhöhen, werden Forderungen nach einer gezielten Stärkung der Gesundheitsversorgung für den Verteidigungsfall laut. Unter anderem die Universitätsklinika und die BG Kliniken erwarten das – sie seien neben Bundeswehrkrankenhäusern im Falle militärischer Konfliktlagen zentral für die Versorgung von Verwundeten und der Bevölkerung, hieß es. Uni- und Berufsgenossenschaftliche Kliniken würden besondere Verantwortung tragen und müssten für den Aufbau der notwendigen Versorgungsinfrastrukturen berücksichtigt werden.

Bereits heute werden Schwerstverwundete aus der Ukraine in Deutschland behandelt. Denn Operationen unter Kriegsbedingungen sind schwierig, die Kriegsverletzungen erfordern viel Wissen und Können. Kriegsbedingte Verletzungen an Gefäßen und Gliedmaßen gerade in Verbindung mit multiresistenten Keimen erfordern eine hohe Expertise. Das zeigen die derzeitigen Erfahrungen. Dazu sind neben den Bundeswehrkrankenhäusern in erster Linie die Universitätsklinika und BG Kliniken in der Lage.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) mahnte im Zusammenhang mit den derzeitigen Plänen an, dass bei der Budgetierung durch eine zukünftige neue Regierung ausreichend finanzielle Mittel für die Ausstattung des Gesundheitssystems für den militärischen Krisenfall zur Verfügung gestellt werden müssten. Es dürfe nicht nur Ausgaben für eine militärische Wehrhaftigkeit Deutschlands geben, sondern es müssen auch Folgekosten berücksichtigt werden.

Der Ukrainekrieg stellt eine neue und immer akuter werdende Herausforderung an die solidarische Hilfsgemeinschaft dar. Ein mögliches Szenario sieht für den Konfliktfall an der Nato-Ostflanke vor, dass 1.000 Verletzte pro Tag versorgt werden müssten. Deutschland könnte zur Drehscheibe hinsichtlich der Versorgungsstrukturen von Alliierten werden. Da solche Szenarien nicht zur bisherigen Planung gehören, ist eine Berücksichtigung der Gesundheitsversorgung in der aktuellen Debatte höhere Ausgaben für die Verteidigung erforderlich.

„Das deutsche Gesundheitswesen muss sich auf einige Herausforderungen einstellen, wenn es auf Bedrohungen wie kriegerische Auseinandersetzungen und Versorgung von Schwerstverletzten auch hierzulande vorbereitet sein will. Zur Vorbereitung gehören beispielsweise die Ausweitung und adäquate Ausstattung von Intensiv- und OP-Kapazitäten, für Schwerbrandverletzte, zusätzliche Isolierstationen oder Telemedizin, um über Distanzen hinweg versorgen zu können. Universitätsklinika sind hoch spezialisiert. Investitionen in Sicherheit heißt auch, funktionierende, abwehrbereite Versorgungsinfrastrukturen für den Krisenfall bereitzuhalten. Verteidigungsfähigkeit bedeutet auch, dass Verletzte bestmöglich versorgt werden können.”, so Prof. Jens Scholz, 1. Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands (VUD).

„Um sich für einen Bündnisfall zu wappnen, benötigen wir belastbare Netzwerke für die Zusammenarbeit zwischen den Bundeswehrkliniken, den BG Kliniken und den Universitätsklinika. Das bedeutet, dass in Deutschland Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, in denen ausreichend Kapazität in kurzer Zeit zur Verfügung stehen kann. Öffentlich getragene Krankenhäuser übernehmen dabei eine besondere Verantwortung und müssen hierfür mit ausreichenden Mitteln aus dem Sondervermögen unterstützt werden. Dazu bietet sich jetzt die Möglichkeit“, so Reinhard Nieper, Vorsitzender der Geschäftsführung der BG Kliniken – Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung.

„Sollte es zu einem militärischen Ernstfall kommen, muss die Versorgung etwaiger verletzter Soldaten sowie die Regelversorgung der Zivilbevölkerung sichergestellt sein. Eine einseitige Planung nur für den Sanitätsdienst der Bundeswehr greift zu kurz, da dessen Ressourcen schnell ausgeschöpft wären. Auch die zivile Medizin muss einbezogen werden. Damit Krankenhäuser und ärztliches Personal konsequent und im erforderlichen Umfang darauf vorbereitet werden können, drängt die Zeit und wir benötigen jetzt die dafür erforderlichen Gelder“, so Prof. Dr. Dietmar Pennig, Generalsekretär der DGOU und der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU).

Er hinterlegte die Forderung mit konkreten Zahlen: „Eine Nato-Simulation von 1.000 Kriegsverletzten pro Tag zeigt, dass in einem militärischen Bündnisfall die dafür vorgesehenen Betten der Bundeswehrkrankenhäuser und der assoziierten BG-Kliniken innerhalb von 48 Stunden ausgelastet wären. Die fünf Bundeswehrkrankenhäuser haben rund 1.800 Betten, die neun berufsgenossenschaftlichen Kliniken 2.200 Betten – hier ist der verbesserte organisatorische Zugriff auf die 35.000 Betten und die gesamte anzupassende Infrastruktur des TraumaNetzwerks dringend geboten.“

Geld wird laut der Forderungen der DGOU/DGU in vielen Bereichen benötigt – unter anderem für die Schulung des ärztlichen Personals, die Ertüchtigung der Krankenhäuser und die Schaffung einer Organisationsstruktur. So müsse es vermehrt Trainings für ärztliches und Pflegepersonal in Kliniken für den Massenanfall von Verletzten geben und Chirurgen müssten für den Ernstfall, insbesondere für die operative Versorgung von Kriegsverletzungen wie Schusswunden oder durch Sprengsätze mit der Folge von verstümmelten Gliedmaßen, ausgebildet werden. Bei der Ausstattung müssten zum Beispiel zusätzliche Notfallinstrumente und -materialien in ausreichender Menge vorgehalten werden, da Lieferketten unterbrochen sein können. Im Rahmen der Ertüchtigung müsse auch der Ernstfall geprobt und Kliniken dazu 24 Stunden vom Netz genommen werden. Auf organisatorischer Seite müsse eine zivil-militärische Stabsstelle zur Koordinierung der Verteilung von Verletzten eingerichtet werden, zusätzlich müssten die Häuser für die Kapazitätsabfrage vernetzt und passende Steuerungsinstrumente geschaffen werden, so die Fachgesellschaften.

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