KHVVG beschlossen – eine Hürde bleibt

Der Bundestag hat jetzt nach einer hitzigen Debatte das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) beschlossen. Eine Hürde bleibt – im Bundesrat könnte es am 22. November in den Vermittlungsausschuss verwiesen werden.

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Nachdem der Gesundheitsausschuss Mitte Oktober den Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) mit zahlreichen Detailänderungen mehrheitlich gebilligt hat, wurde das Gesetz am 17. Oktober nach einer hitzigen Debatte in 2./3. Lesung im Bundestag beschlossen. In der namentlichen Abstimmung stimmten 373 Abgeordnete für und 285 gegen den Gesetzentwurf, es gab eine Enthaltung. Die Opposition hatte angekündigt, gegen die Novelle zu stimmen. In der Schlussberatung sprachen Redner der Opposition von einer unzureichenden Reform mit großen Risiken und ungeklärten Fragen. Der Gesundheitsausschuss hatte zur Abstimmung eine Beschlussempfehlung und der Haushaltsausschuss einen Bericht gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit abgegeben. Die vom Bundestag angenommene Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses zum KHVVG umfasste die in der Sitzung am Vortag eingebrachten 50 Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen, die sich vielfach mit der technischen Umsetzung der Reform befassen. Diese sind nun in das Gesetz eingeflossen.

Bei den am Entwurf vorgenommenen Änderungen geht es unter anderem um eine künftige ärztliche Personalbemessung im Krankenhaus, die Einbindung von Bundeswehrkrankenhäusern in die Versorgung, Qualitätsanforderungen für hebammengeleitete Kreißsäle in Krankenhäusern, die Streichung der Stichprobenprüfung und eine Entbürokratisierung der Einzelfallprüfung bei der Krankenhausabrechnung, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Transformationsfonds einschließlich einer Beteiligung der Privaten Krankenversicherung (PKV) und die geplante Evaluation des Gesetzes.

In der nächsten regulären Sitzung des Bundesrats am 22. November soll das KHVVG auf der Tagesordnung stehen – und es könnte zu einem Vermittlungsausschuss kommen, so die Hoffnung und Erwartung vieler in der Branche. Aus einigen Bundesländern waren nach der Verabschiedung im Bundestag dementsprechende Ankündigungen zu hören, beispielsweise aus Nordrhein-Westfalen und aus Bayern – die dortige Gesundheitsministerin, Judith Gerlach (CSU) sagte: „Da Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und auch die Ampelkoalition im Bundestag bislang die zentralen Forderungen und Vorschläge der Länder zur Krankenhausreform des Bundes weitestgehend ignoriert haben, werde ich mich im Bundesrat dafür einsetzen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das ist die letzte Chance, dringend notwendige Änderungen nachzuverhandeln, um die für die Bundesländer wichtigen Änderungen zu erreichen.“ NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte bereits in der Bundestagsdebatte vor der Verabschiedung des KHVVG gesagt, dass er auf einen Vermittlungsausschuss hofft. Auch Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) hofft auf die Länder – allerdings darauf, dass sie sich mehrheitlich mit den wenigen im Gesetz verankerten Änderungen zufriedengeben und das Gesetz durchwinken.

Bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 23. Oktober war die Krankenhausreform zumindest kein offizielles Thema – auch wenn zum Beispiel die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) im Vorlauf noch an die Länderchefinnen und -chefs appelliert hatte, die Krankenhausreform ganz oben auf ihre Agenda zu setzen. Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG, Prof. Dr. Henriette Neumeyer, sagte, die Regierungsfraktionen hätten das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz mit ihrer Mehrheit zwar faktisch durchgedrückt, die Notwendigkeit für Überarbeitungen aber ignoriert. Ohne diese bleibe den Ländern aus Sicht der Krankenhäuser nichts anderes übrig, als in der kommenden Bundesratssitzung am 22. November den Vermittlungsausschuss anzurufen. Der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß sagte, um das Gesetz auch durch den Bundesrat zu drücken, würden die Koalitionäre den Ländern damit drohen, dass die finanziellen Verbesserungen für Krankenhäuser nicht kommen würden, wenn sie die Reform nicht eins zu eins im Bundesrat durchwinken würden. Diese Drohkulisse funktioniere aber nicht, denn den marginalen finanziellen Verbesserungen stünden massive Erlösverluste und Mehrkosten für die Krankenhäuser gegenüber. Der Gesetzentwurf selbst bilanziere Einsparungen durch Minderausgaben für die Krankenhäuser in Milliardenhöhe.

Neumeyer kritisierte ein in der ,Bild'-Zeitung erschienenes Interview mit dem Minister Lauterbach scharf: „Wieder einmal argumentiert der Bundesgesundheitsminister für seine Krankenhausreform mit falschen Tatsachen. Die Krankenhäuser wollen und benötigen die Reform dringend, jedoch werden die derzeitigen Pläne des Ministers keinesfalls die Versorgung stabilisieren und flächendeckend sichern, im Gegenteil. Es werden noch mehr Krankenhäuser aus der Versorgung verschwinden.“ Lauterbachs Behauptung, dass sich die paar Hundert Krankenhäuser, die verschwinden würden, in westdeutschen Großstädten befänden, würden schon jetzt die Fakten des kalten Strukturwandels widerlegen: Nur ein kleiner Bruchteil der Krankenhausinsolvenzen der vergangenen zwei Jahre habe Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern betroffen, die Versorgung breche vor allem auf dem Land weg. Diese Krankenhäuser würden nicht einfach ,sterben', sondern eingehen, da ihnen die politischen Rahmenbedingungen kostendeckendes Arbeiten unmöglich gemacht hätten.

Neumeyer weiter: „Auch Lauterbachs Behauptung, das deutsche Krankenhaussystem sei das teuerste Europas, ist mehrfach widerlegt. Zwar gibt der deutsche Staat vergleichsweise viel Geld für seine Gesundheitsversorgung aus, der Anteil der Krankenhäuser daran ist aber einer der geringsten in ganz Europa. Nur in Liechtenstein, das lediglich über einen kleinen Grundversorger verfügt, ist der Anteil für die Krankenhauskosten noch niedriger.“

Recht habe Lauterbach, wenn er viele Versorgungsprobleme im deutschen Gesundheitswesen auf fehlende Effizienz zurückführe. „Nur liegt das nicht allein an der verschleppten Digitalisierung oder den Problemen mit der elektronischen Patientenakte. Wenn Ärztinnen und Ärzte genauso wie Pflegekräfte rund drei Stunden täglich mit oft medizinisch unnützer Bürokratie verbringen müssen, fehlen sie in diesen drei Stunden bei ihrer eigentlichen Arbeit mit den Patientinnen und Patienten. Im niedergelassenen Sektor sieht es keinesfalls besser aus.“ Zwei Monate Zeit würden Lauterbach für sein noch für den Herbst versprochenes Entbürokratisierungsgesetz bleiben. „Wir hoffen, dass er diesmal, anders als 2023, sein Versprechen hält. Denn schon im vergangenen Jahr wollte der Minister ein solches Gesetz vorlegen. Mit nur einer Stunde Bürokratie täglich weniger und entsprechend mehr zur Verfügung stehender Arbeitszeit hätten wir den Fachkräftemangel rechnerisch mit einem Schlag gelöst, und auch die Terminlage in den niedergelassenen Praxen dürfte sich spürbar verbessern.“

Auch der Deutsche Landkreistag (DLT) hat die Länder erneut aufgefordert, den Entwurf im Bundesrat abzulehnen und den Vermittlungsausschuss anzurufen. DLT-Präsident Dr. Achim Brötel: „Die Reform ist eine Black Box, es gibt nach wie vor keine Auswirkungsanalyse. Deshalb sind wir fassungslos, dass der Bundestag auf einer derart unsicheren Sachgrundlage überhaupt einen Beschluss gefasst hat.“ Auch dürften die Länder dem Gesetzentwurf im Bundesrat ohne einen auch rückwirkenden Tarif- und Inflationsausgleich nicht zustimmen: „In den letzten zwei Jahren mussten bereits 48 Kliniken Insolvenz anmelden. Weitere werden jetzt mit Sicherheit folgen. Und: Es trifft wieder einmal in erster Linie den ländlichen Raum. Das darf der Bund nicht einfach ignorieren!“

Zur Auswirkungsanalyse gibt es übrigens Neuigkeiten – am 24. Oktober hat das BMG eine Software an die Länder gegeben, mit der regionale Auswirkungen der Krankenhausreform visualisiert werden können. Entwickelt wurde diese Software von den Firmen BinDoc und Oberender gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und der Regierungskommission Krankenhaus. Sie ist eine abgespeckte, im Funktionsumfang eingeschränkte Version des ,Groupers‘, der nun erst 2025 verfügbar sein soll und für die Zuordnung der Leistungsgruppen benötigt wird. Aus den Bundesländern kam allerdings Kritik – vielen reicht die Zeit nicht, außerdem sollen zentrale Bestandteile der Reform nicht darstellbar und so auch nicht zu analysieren sein. Auch aus finazieller Sicht ist eine Abschätzung der Auswirkungen der KHVVG-Regelungen mit der Software wohl nicht oder nur eingeschränkt möglich.

Fusionskontrolle soll weitgehend ausgesetzt werden

Ein Aspekt, der im Zuge der Änderungsanträge angepasst wurde, ist die Fusionskontrolle für Krankenhäuser – diese soll bis 2030 praktisch ausgesetzt werden. Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, sieht in den verabschiedeten Regelungen die Gefahr einer Aushöhlung der Fusionskontrolle im Krankenhauswesen. Das gerade im beschlossene KHVVG sehe eine Regelung vor, wonach über die Anwendung der Fusionskontrolle im Krankenhauswesen künftig die Krankenhausplanungsbehörden der Länder entscheiden würden. Wenn die Krankenhausplanungsbehörde einen Zusammenschluss zur Verbesserung der Krankenhausversorgung für erforderlich halte, schrieb Mundt auf „LinkedIn“, entfalle – befristet bis 2030 – die Anmeldepflicht beim Bundeskartellamt. Es habe in diesen Fällen keine Möglichkeit mehr, eine im Einzelfall für den Wettbewerb und das Patientenwohl schädliche Konzentration aufzuhalten. Nach 2030 greife dann noch eine weitere Ausnahmeregelung, die an die Förderung durch den neuen Transformationsfonds anknüpfe. Ohne wirksame Fusionskontrolle würden vor Ort Verhältnisse drohen, in denen Patienten keine Wahlmöglichkeit mehr hätten, weil alle Krankenhäuser vor Ort zum selben Träger gehörten, warnte Mundt.

Er kritisierte auch die Unklarheiten des vorgesehenen Verfahrens – so sollten die Länder prüfen, ob ein Zusammenschluss erforderlich sei. Auf welcher Basis dies geschehen solle, bleibe aber genauso unklar wie die Kriterien oder Begründungserfordernisse für die Entscheidung. Unklar sei z. B. auch, ob eine mehrmalige Prüfung durch die Länder möglich sei oder ob andere Krankenhäuser, die von der Entscheidung betroffen wären, dagegen juristisch vorgehen könnten. Die Länder sollten, so Mundt, im Rahmen der ,Erforderlichkeitsprüfung‘ bestätigen, dass einem Zusammenschluss keine anderen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften entgegenstehen würden und sich „mit dem Bundeskartellamt ins Benehmen setzen.“ Er sieht ,kuriose Züge' in dieser Vorgehensweise – wie solle das Kartellamt „ohne Ermittlungen, allein anhand der Namen der Antragsteller, eine fundierte Einschätzung zu den wettbewerblichen Auswirkungen abgeben?“ Wettbewerbliche Bedenken des Kartellamts hätten auch keine Konsequenzen, wenn die Länder den Zusammenschluss für erforderlich halten. Das Kartellamt halte „die vorgesehene Aushöhlung der Fusionskontrolle der Sache nach, aber auch das vorgesehene Verfahren, für den falschen, wenig durchdachten Weg“, schloss Mundt.

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