Krankenhaus Rating Report: 20 Jahre Objektivität

Der Krankenhaus Rating Report feiert dieses Jahr seinen 20. Geburtstag. Laut der Ergebnisse des Ende Juni veröffentlichten neuesten Reports lagen 2022 rund zehn Prozent der Kliniken im ,roten Bereich‘ erhöhter Insolvenzgefahr.


Angefangen als Forschungsprojekt unter dem noch etwas sperrigen Titel ,Insolvenzrisiken von Krankenhäusern – Bewertung und Transparenz unter Basel II‘, ist der jährlich erscheinende Krankenhaus Rating Report heute für Viele in der Krankenhausbranche eine immens wichtige Konstante und bringt seit zwanzig Jahren ,Licht ins Dunkle‘, wie die Festschrift zum 20-jährigen Jubiläum des Reports betitelt ist. Der Report habe Transparenz und Objektivität in die Diskussion zur wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser gebracht, wo zuvor Bauchgefühl und Meinungen vorherrschten, so Prof. Dr. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit“ am RWI Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung und einer der Autoren des Reports, im Vorwort der Festschrift. Gefeiert wurde das Jubiläum mit rund 150 Gästen im Oktogon auf der Zeche Zollverein in Essen.

Prof. Dr. Boris Augurzky

Der ,Krankenhaus Rating Reports 2024‘ zeigt, dass sich die wirtschaftliche Lage der deutschen Krankenhäuser im Jahr 2022 leicht verschlechtert hat. Laut der Ergebnisse des Ende Juni veröffentlichten Reports lagen rund zehn Prozent der Kliniken im ,roten Bereich‘ mit erhöhter Insolvenzgefahr, etwa 30 Prozent der Kliniken schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust. Die Hochrechnung für 2023 geht von 14 Prozent Kliniken mit akuter Insolvenzgefahr aus. Maßgeblich für die schlechte wirtschaftliche Lage der Kliniken sei wie im Vorjahr der Rückgang der Ausgleichszahlungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie bei einem nach wie vor geringen Leistungsniveau der Krankenhäuser, so das Autorenteam.

Deutlich werde dabei, dass das deutsche Gesundheitswesen immer noch vor großen Herausforderungen stehe, für die es aktuell nicht gerüstet sei, wird im Report gefolgert. Dessen Untertitel lautet ,Zwischen Hoffen und Bangen‘ – und beschreibt gut die vorherrschende Gefühlslage in vielen deutschen Krankenhäusern. Hoffen auf eine Reform, die in politischen Kontroversen untergehen könnte und so oder so noch vieler Anpassungen bedarf, um den Krankenhäusern wirklich zu helfen, und bangen, ob man bis zur Umsetzung dieser Reform durchhält oder nicht. Geplante Strukturoptimierungen im Rahmen des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) könnten die Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser mittelfristig verbessern, so die Autoren des Reports – viele Kliniken wären allerdings auf kurzfristige Unterstützung angewiesen, um weiterarbeiten zu können. Der Report wurde gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) erstellt, er erscheint im medhochzwei Verlag.

Ergebnisse im Detail

Im Jahr 2022 betrug das durchschnittliche Jahresergebnis 0,6 Prozent der Erlöse, im Jahr zuvor waren es 0,8 Prozent, 2020 noch 1,6 Prozent. Die Ertragslage hat sich im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr bei allen Trägerformen verschlechtert. Besonders hoch fiel diese Verschlechterung bei freigemeinnützigen Häusern aus.

Die stationäre Fallzahl legte im Jahr 2023 um etwa 2,3 Prozent zu. 2022 hatte sie bereits um etwa 0,8 Prozent zugenommen, nachdem sie im Jahr 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie außerordentlich stark um 13,5 Prozent gesunken und auch im zweiten Pandemiejahr 2021 leicht um 0,3 Prozent zurückgegangen war.

Potenzial des Transformationsfonds: Lohnt sich aus volkswirtschaftlicher Sicht der Einsatz der geplanten 50 Mrd. Euro? Quelle: rwi/hcb 2024

Die Investitionsfördermittel der Länder beliefen sich im Jahr 2022 mit 3,55 Milliarden Euro auf rund acht Prozent mehr als im Vorjahr. Bezogen auf die gesamten Krankenhauserlöse entspricht dies einem Anteil von 3,4 Prozent. Um die Unternehmenssubstanz zu erhalten und weiterzuentwickeln, sollten laut der Autoren des Reports jährlich mindestens sieben Prozent der Erlöse in Investitionen fließen. Der jährliche förderfähige Investitionsbedarf der Plankrankenhäuser zum Substanzerhalt dürfte sich auf mindestens 5,9 Milliarden Euro belaufen, zuzüglich Universitätskliniken insgesamt auf 6,8 Milliarden Euro. Kliniken schließen diese investive Lücke nur zum Teil aus eigener Kraft, sodass es zu einem Substanzverzehr kommt. Besonders stark war er erneut bei den ostdeutschen Krankenhäusern, die sich – von einer sehr guten Unternehmenssubstanz kommend – dem niedrigen Niveau der westdeutschen Krankenhäuser immer weiter annähern. Bezogen auf die Erlöse sank das Sachanlagevermögen in Westdeutschland zwischen 2007 und 2022 um fast 15 Prozent, in Ostdeutschland um 42 Prozent.

Eine Auswertung vorliegender Jahresabschlüsse aus den Jahren 2007 bis 2022 zeigt zeitstabile Muster: Signifikant besser fällt das Rating im Osten Deutschlands aus, am schlechtesten in Bayern und Baden-Württemberg. Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft schneiden beim Rating und der Ertragslage signifikant besser ab als öffentlich-rechtliche Kliniken. Eine Ausnahme bilden öffentlich-rechtliche Kliniken in ärmeren Kreisen. Sie schneiden deutlich besser ab als solche in reichen Kreisen. Das könnte andeuten, dass die fehlende Aussicht auf die Subventionierung durch ärmere kommunale Träger ein effizienteres Vorgehen erzwinge, so die Autoren. Ein deutlich besseres Rating und eine bessere Ertragslage hatten außerdem größere Kliniken, Häuser in Klinikketten, Krankenhäuser mit einem mittleren und hohen Spezialisierungsgrad sowie Einrichtungen mit einem hohen Case-Mix-Index.

Hinsichtlich der Digitalisierung ist allgemein erkennbar, dass Krankenhäuser, die zu einer großen Kette gehören, bezüglich ihrer Digitalisierung weiter fortgeschritten sind. Sie würden höchstwahrscheinlich von der Zentralisierung und Standardisierung ihrer IT-Strategie und -Infrastruktur auf Konzernebene profitieren, heißt es dazu.

Die genauere Untersuchung von 47 Klinikinsolvenzen zwischen Juni 2022 und März 2024 zeigt, dass eher kleinere Häuser betroffen sind. Zwei Drittel dieser Insolvenzen entfielen auf Standorte in freigemeinnütziger Trägerschaft, etwa ein Viertel auf öffentlich-rechtliche Träger, nur wenige auf Private. Von den 47 Standorten wurden bislang sieben Standorte geschlossen.

Die Anzahl der in Krankenhäusern beschäftigten Menschen ist umgerechnet in Vollkräfte zwischen 2015 und 2022 um elf Prozent gestiegen. Dabei hat der Anteil der in Teilzeit beschäftigten Menschen leicht zugenommen. Im ärztlichen Dienst in Krankenhäusern hat er sich zwischen 2015 und 2022 von 22 Prozent auf 32 Prozent erhöht.

Inanspruchnahme von Teilzeit nach Dienstarten 2018 bis 2022: Anteil in % an allen Beschäftigen (1) Die Kategorie „über 35 Std.“ bezieht sich ausschließlich auf Teilzeitbeschäftigte, die über 35 Stunden arbeiten, aber nicht vollzeitbeschäftigt sind. Quelle: rwi/hcb 2024

Wie im Krankenhausbereich nahm auch im vertragsärztlichen Bereich die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte kontinuierlich zu, wobei ein immer größerer Teil davon in Teilzeit tätig ist. Im Jahr 2009 arbeiteten acht Prozent in Teilzeit, mit inzwischen 46 Prozent hat sich der Anteil bis zum Jahr 2023 fast versechsfacht. Daher ist umgerechnet die Zahl der Vollkräfte im vertragsärztlichen Bereich zwischen 2009 und 2023 konstant geblieben. Überdies arbeiten immer mehr in einem Angestelltenverhältnis: Waren es im Jahr 2008 noch sechs Prozent, so stieg der Anteil auf 28 Prozent im Jahr 2023.

Die Autoren des Reports nehmen an, dass die Inflation der Sachkosten ab 2024 wieder sinkt, die Lohninflation aufgrund des Fachkräftemangels jedoch hoch bleiben wird. Zudem wird durch die zunehmende Ambulantisierung und trotz Alterung der Gesellschaft mittelfristig eine sinkende stationäre Fallzahl erwartet, auch wenn sie 2023 vergleichsweise stark gestiegen ist und 2024 vermutlich nochmals zunehmen werde.

Ohne Berücksichtigung der im KHVVG geplanten Maßnahmen dürfte der Anteil an Krankenhäusern im roten Rating-Bereich von 14 Prozent im Jahr 2023 auf 48 Prozent im Jahr 2030 steigen. Der Anteil mit Jahresverlust würde bereits 2024 den hohen Wert von rund 70 Prozent erreichen und bis zum Ende des Jahrzehnts bei etwa diesem Wert verharren.

Aussicht mittelfristig besser

Berücksichtigt man die geplanten Maßnahmen des KHVVG (Stand Ende April 2024), stellt sich laut der Autoren die Lage mittelfristig besser dar. Es sind verschiedene Arten von Zuschlägen vorgesehen sowie umfangreiche Investitionsmittel aus dem geplanten Transformationsfonds. Werden damit Strukturoptimierungen angestoßen, würde sich die Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser verbessern. Im Jahr 2030 könnten dann nur noch 24 Prozent der Krankenhäuser im roten Rating-Bereich liegen und 75 Prozent der Häuser wieder ein positives Jahresergebnis schreiben. Erreicht werden könnte dies im Rahmen von Zentralisierungen durch die Zusammenlegung von Standorten sowie von Schwerpunktbildungen durch die Bündelung von Leistungsgruppen.

Da die Kosten zunächst noch stärker als die Erlöse steigen, könnten jährliche ,Hilfszahlungen‘ das kurzfristige Differenzwachstum von Kosten und Erlösen ausgleichen. Bis 2030 wären insgesamt 14 Milliarden Euro nötig, vor allem im Zeitraum 2024 bis 2026. Allerdings entfiele bei einer kompletten Schließung der Kosten-Erlös-Differenz der Anreiz zu notwendigen Strukturoptimierungen, sodass die daraus entstehenden positiven Mittelfristeffekte ausbleiben würden.

Datengrundlage des ,Krankenhaus Rating Report 2024‘ ist eine Stichprobe von 488 Jahresabschlüssen von Krankenhäusern aus dem Jahr 2021 und 489 aus dem Jahr 2022. Sie umfassen insgesamt 921 Krankenhäuser. Die Zahlen für das Jahr 2021 wurden im Vergleich zum ,Krankenhaus Rating Report 2023‘ aktualisiert. Sie basierten teils auf Hochrechnungen, diese konnten zwischenzeitlich durch weitere Bilanzen von Kliniken ersetzt werden. Waren laut dem ,Krankenhaus Rating Report 2023‘ noch bundesweit 11 Prozent der Kliniken im „roten Bereich“, sind es im ,Krankenhaus Rating Report 2024‘ für das Jahr 2021 nur noch 8 Prozent. Damit ist die Lage im Jahr 2022 mit 10 Prozent leicht schlechter geworden. Allerdings wird für das Jahr 2022 im ,Krankenhaus Rating Report 2024‘ ebenfalls teils mit Hochrechnungen gearbeitet, so dass auch diese Zahl bis zum nächsten Jahr voraussichtlich noch aktualisiert werden wird. Für das Jahr 2023 lagen noch keine Jahresabschlüsse in ausreichender Zahl vor.

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