Wird bei Adipositas zu spät operiert?
Dr. Plamen Staikov, Chefarzt des Adipositaszentrums im DGD-Krankenhaus Sachsenhausen, mit dem Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie, die das DGD-Krankenhaus als Referenzzentrum ausgezeichnet hat – als einzige Klinik in Hessen. ©DGD-Stiftung/Andreas Schmidt
Das Adipositaszentrum im DGD-Krankenhaus Sachsenhausen ist von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie zum Referenzzentrum hochgestuft worden. Als eines von 21 Referenzzentren bundesweit ist es das einzige in Hessen.
Die Zahl der übergewichtigen Menschen steigt stetig. Laut WHO leben fast 60 Prozent der Erwachsenen in Europa mit Übergewicht oder Fettleibigkeit (Adipositas). Adipositas steht u. a. mit 13 verschiedenen Krebsformen in Zusammenhang und könnte in den kommenden Jahrzehnten das Rauchen als Hauptrisikofaktor für Krebs ablösen. Zu den gesundheitlichen Folgen zählen Diabetes, chronische Atemwegserkrankungen wie Asthma, Schlaganfälle und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Leber- und Nierenkrankheiten, aber auch psychische Probleme und Rückenschmerzen.
Das seit gut zwei Jahrzehnten bestehende Adipositaszentrum im DGD-Krankenhaus Sachsenhausen bietet ein multimodales Therapiekonzept mit Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie an, wenn Diäten oder eine Umstellung der Gewohnheiten keinen Effekt bringen. Sollte auch das nicht helfen, kann eine OP erfolgen. „Wer einen BMI ab 50 hat, kann direkt operiert werden. Bei einem BMI ab 40 erfolgt die direkte Operation nur, wenn der Patient auch einen Diabetes entwickelt hat“, so Chefarzt Dr. Plamen Staikov. Bei einem BMI zwischen 40 und 50 ohne Diabetes müsse in Deutschland zunächst ein konservatives Programm absolviert werden. Laut Staikov sind es in Sachsenhausen etwa 1.000 OPs im Jahr, 700 davon seien Erst-OPs. „Bei den anderen 30 Prozent handelt es sich um Revisions-OPs, für die eine hohe Expertise nötig ist“, so Staikov. Revisions-OPs seien komplexer und risikobehafteter, erforderten ein hohes Maß an Erfahrung. Der Mediziner bemängelt, dass in Deutschland im internationalen Vergleich bei krankhafter Fettleibigkeit viel zu spät und viel zu wenig operiert werde. In anderen Ländern seien daher Folgeerkrankungen, die mit starkem Übergewicht einhergehen, weniger stark ausgeprägt und entsprechend weniger belastet sei das Gesundheitssystem. Der Durchschnitts-BMI für Operationen liege in Deutschland ungefähr bei 50, für Staikov liegt die magische Grenze jedoch bei 40. Zu den operativen Behandlungen gehören Schlauchmagen und klassischer Magenbypass ebenso wie der Omega-Bypass oder die anspruchsvollen Varianten der biliopankreatischen Diversion, bei der der Restmagen entfernt wird.